Diabetische sensomotorische Polyneuropathie
Die diabetische sensomotorische Polyneuropathie (DSPN) ist die häufigste und klinisch bedeutsamste Manifestation der diabetischen Neuropathien. Etwa jeder dritte Mensch mit Diabetes ist von einer DSPN betroffen. Sie kann symptomatisch oder asymptomatisch verlaufen.
Typische Symptome
Die symptomatische Form äußert sich durch Beschwerden in den Füßen oder Händen, die sich meist nachts oder in Ruhe verstärken. Folgende Symptome können auftreten:
- Brennen/Schmerzen
- Kribbel-Parästhesien
- Taubheitsgefühl
- Schwächegefühl
- Krämpfe
Gefährlich: „stummer“ Verlauf
Die asymptomatische Form der DSPN betrifft bis zu 50% der Patienten1. Sie ist klinisch ebenfalls bedeutsam, da neuropathische Defizite in 85-90% der Fälle an der Entstehung des diabetischen Fußsyndroms beteiligt sind 2. So bemerken Patienten mit diabetischer Neuropathie wegen der verminderten oder fehlenden Sensibilität Verletzungen an den Füßen oft erst spät.
Typische Defizite sind:
- abgeschwächtes Empfindungsvermögen für Vibration und/oder Berührungen
- verminderte Wahrnehmung von Schmerz und/oder Temperatur
- reduzierte Muskeleigenreflexe
Frühere Diagnose erforderlich!
Die diabetische Neuropathie galt lange Zeit als Spätkomplikation eines Diabetes. Heute weiß man, dass die Degeneration der Nerven bereits im prädiabetischen Stadium beginnt und im weiteren Verlauf fortschreitet 3. Bei vielen Typ-2-Diabetikern kann bereits zum Zeitpunkt der Diabetesdiagnose oder weniger als ein Jahr später eine DSPN nachgewiesen werden 4.
Vielen Personen mit DSPN ist allerdings nicht bewusst, dass sie eine Nervenfunktionsstörung haben – insbesondere bei asymptomatischem Verlauf oder subtilen Symptomen 5,6,7. Ein regelmäßiges Screening sowie eine frühere Diagnose und Therapie sind daher dringend erforderlich!
Autonome Neuropathie
Die autonome diabetische Neuropathie (ADN) kann prinzipiell jedes autonom innervierte Organsystem betreffen, z.B. das kardiovaskuläre System, den Gastrointestinal- oder Urogenitaltrakt. Da eine DSPN und ADN häufig gleichzeitig auftreten, sollte beim Nachweis einer sensomotorischen Neuropathie immer auch an mögliche ADN-Manifestationen gedacht werden. Bis zu 50% der Diabetiker mit einer DSPN haben auch eine kardiovaskuläre autonome diabetische Neuropathie 2.
Folgende Symptome können bei der Diagnose der ADN richtungsweisend sein, wenn auch mit geringer Spezifität und Sensitivität 8:
- Ruhetachykardie
- Störungen im gastrointestinalen Bereich (dyspeptische Symptome, Obstipation, Diarrhoe, Stuhlinkontinenz)
- Blasenfunktionsstörungen, sexuelle Funktionsstörungen
- gestörte Hypoglykämiewahrnehmung
- Schweißsekretionsstörungen
- anderweitig nicht begründete Blutglukoseschwankungen.
Diese Symptome einer ADN sollten bei der Anamneseerhebung bei Diabetikern mit abgefragt werden.
Ursachen
Eine Erkrankung – viele nervenschädigende Faktoren
Bei der Entstehung der diabetischen Polyneuropathie steht die Hyperglykämie im Vordergrund. Diese resultiert in oxidativem Stress und aktiviert pathogene Prozesse, wie z.B. die Bildung von AGEs (Advanced Glycation Endproducts). Dadurch führt sie zu Durchblutungsstörungen und morphologischen Veränderungen der Nerven 9. Zusätzlich können weitere Risikofaktoren wie Adipositas, Bluthochdruck, Hyperlipidämie, eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK), Alkohol- und Nikotinabusus, mangelnde körperliche Aktivität und Übergewicht die Entstehung einer Neuropathie begünstigen 2.
Vitamin B-Mangel bei Patienten mit Diabetes
Zu berücksichtigen ist, dass auch ein Vitamin B1-Mangel Neuropathien verursachen oder verstärken kann. Ein Vitamin B1-Defizit zieht komplexe metabolische Störungen nach sich, die die toxischen Auswirkungen der Hyperglykämie forcieren können 10. Da die renale Exkretion von Vitamin B1 bei Diabetikern häufig gesteigert ist, besteht bei ihnen ein erhöhtes Risiko für einen Mangel. In einer britischen Studie wurden bei Typ-1- und Typ-2-Diabetikern um durchschnittlich 75 % niedrigere Vitamin B1-Plasma-Spiegel nachgewiesen als bei Gesunden 11.
Ein Vitamin B12-Mangel ist ebenfalls mit einem erhöhten Risiko für Neuropathien assoziiert. Er tritt vermehrt in Folge einer Langzeittherapie mit Metformin auf 12,13.
Wichtige Risikofaktoren auf einen Blick
- Diabetesdauer und -einstellung
- Arterielle Hypertonie
- pAVK
- Hyperlipidämie
- Alkohol und Nikotin
- Vitamin B1- und B12-Mangel
- Alter, Körpergröße und -gewicht
Literatur:
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