Symposium beim Kongress der Deutschen Diabetes Gesellschaft 2023

Expertengespräch: „Neuropathie – multidisziplinär neu gedacht!“


Beim Kongress der Deutschen Diabetes Gesellschaft stellten namhafte Experten aus unterschiedlichen Fachbereichen neue Erkenntnisse und Aspekte zur Neuropathie bei Diabetes vor. Hier finden Sie die Aufzeichnung vom 18. Mai 2023 und die relevanten Informationen zusammengefasst.

Programm

Aufzeichnung der Vorträge

Vitamin B12 bei Diabetes: Relevanz und Tipps zur klinischen Diagnostik und Therapie

Prof. Dr. Karlheinz Reiners und Prof. Dr. Rima Obeid

Vitamin B1 bei Diabetes: Aktuelle Daten aus systematischem Review und Metaanalyse

Prof. Dr. Rima Obeid

Evidenzbasierte Therapie der diabetischen Polyneuropathie: Update 2023

Prof. Dr. Dan Ziegler

Video-Interviews: Die wichtigsten Fakten - kurz und kompakt zusammengefasst

Neuropathie – multidisziplinär
neu gedacht!

Prof. Dr. med. Dan Ziegler

Vitamin B1
bei Diabetes

Prof. Dr. Rima Obeid
Prof. Dr. Karlheinz Reiners

Vitamin B12
bei Diabetes

Prof. Dr. Karlheinz Reiners

Highlights vom Kongress-Symposium


Chairman:
Prof. Dr. med. Dr. h.c. Dan Ziegler

Facharzt für Endokrinologie und Diabetologie, Institut für Klinische Diabetologie, Deutsches Diabetes-Zentrum (DDZ), Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

„Die DSPN ist keine Spät-, sondern eine Frühkomplikation des Diabetes, die bereits bei Prädiabetes gehäuft auftritt“, warnte Prof. Dan Ziegler vom Institut für Klinische Diabetologie, Deutsches Diabetes-Zentrum an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Häufig bleiben Neuropathien aber unerkannt und unbehandelt, wie aktuelle Daten aus der Nationalen Aufklärungsinitiative zeigten1,2. Dabei zählt die diabetische sensomotorische Polyneuropathie (DSPN) zu den häufigsten und schwerwiegendsten Folgeerkrankungen des Diabetes: Etwa jeder dritte Mensch mit Diabetes ist davon betroffen, und die Auswirkungen der DSPN auf die Lebensqualität der Patienten sind gravierend.

Aktuelle Meta-Analyse: Niedrigerer Vitamin-B1-Status bei Diabetes

Prof Dr. rer. med. Rima Obeid
Abteilung für Klinische Chemie, Universitätsklinik des Saarlandes, Homburg

Welche Rolle spielt die Versorgung mit Vitamin B1 (Thiamin) für Menschen mit Diabetes? Prof. Rima Obeid vom Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin am Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg, erinnerte: „Vitamin B1 ist ein essenzieller Cofaktor im Glukose-Stoffwechsel“. Bei der Veranstaltung stellte Obeid eine aktuelle Meta-Analyse vor, in der sie zusammen mit Prof. Dan Ziegler und Dr. Alexander Strom, beide vom Deutschen Diabetes Zentrum in Düsseldorf, sowie dem Neurologen Prof. Karlheinz Reiners überprüft hat, ob sich die Konzentrationen verschiedener Thiamin-Marker im Blut zwischen Menschen mit und ohne Diabetes unterscheiden. Dabei zeigte sich, dass Diabetes mit niedrigeren Konzentrationen verschiedener Thiamin-Marker assoziiert ist3. „Die Daten deuten darauf hin, dass Diabetes-Patienten möglicherweise einen höheren Bedarf oder erhöhten Umsatz an Vitamin B1 haben“, so Obeid. Dadurch steigt das Risiko für einen Vitamin-B1-Mangel.

Zu den klinischen Manifestationen eines Thiaminmangels zählen kardiovaskuläre Störungen und neurologische Erkrankungen wie Neuropathien. Frühere klinische Studien zeigten, dass durch eine Behandlung mit der Vitamin-B1-Vorstufe Benfotiamin neuropathische Symptome bei Diabetes-Patienten innerhalb von 3-6 Wochen verbessert werden können4.

Evidenzbasierte Therapie – Update 2023

Eine multimodale Therapie der diabetischen Polyneuropathie basiert gemäß einem internationalen Expertenkonsens auf drei Grundpfeilern5, wie Prof. Ziegler ausführte:

  1. Erste Maßnahme ist eine Lebensstiländerung und eine optimale Diabetestherapie mit dem Ziel einer Nahe-Normoglykämie. Zudem sollte eine multifaktorielle kardiovaskuläre Risikointervention angestrebt werden.
  2. Zusätzlich spielt die pathogenetisch orientierte Therapie mit der Vitamin-B1-Vorstufe Benfotiamin und dem Antioxidans Alpha-Liponsäure eine bedeutende Rolle. Diese hat zum Ziel, nicht nur die Symptome, sondern auch die neuropathischen Prozesse positiv zu beeinflussen.
  3. Den dritten Therapieansatz bildet die symptomatische Behandlung neuropathischer Schmerzen durch eine analgetische Pharmakotherapie mit Antidepressiva, Antikonvulsiva, Opioiden oder Capsaicin-Pflaster sowie deren Kombinationen bei nicht hinreichendem Ansprechen. Auch nicht-pharmakologische Optionen, wie psychologische Unterstützung, Physiotherapie, transkutane elektrische Nervenstimulation und Akupunktur können zum Einsatz kommen.

Die symptomatische analgetische Monopharmakotherapie führe lediglich etwa bei 50 % der Patienten zu einem klinisch relevanten Schmerzrückgang um mehr als 50 %, gab Ziegler zu bedenken und betonte den Stellenwert eines multimodalen Ansatzes.

Vitamin-B12-Mangel unter Metformin-Therapie

Prof. Dr. med. Karlheinz Reiners
Facharzt für Neurologie, Wegberg

Wichtig sei zudem, bei der Differenzialdiagnose an einen möglichen Vitamin-B12-Mangel zu denken, insbesondere bei Typ-2-Diabetes-Patienten unter Metformin-Therapie, appellierte der Neurologe Prof. Karlheinz Reiners aus Wegberg. Die langjährige leitlinienkonforme Behandlung mit dem Anti-Diabetikum führe häufig zu einem Vitamin-B12-Mangel. Etwa jeder dritte Patient mit Metformin-Medikation ist von einem Vitamin-B12-Mangel betroffen6. Da Vitamin B12 für die Blutbildung und für das Nervensystem von essenzieller Bedeutung ist, kann ein Mangel Blutbildungsstörungen und – unabhängig davon – auch neurologische Erkrankungen, wie Neuropathien, verursachen. „Bei den Betroffenen können sich eine diabetische Neuropathie und eine Vitamin-B12-Mangel-Neuropathie überlagern, die sich weder klinisch noch messtechnisch differenzieren lassen“, erklärte der Neurologe. Er verweist daher auf die Leitlinien-Empfehlungen der Deutschen und Amerikanischen Diabetes-Gesellschaft, bei Patienten unter Metformin-Therapie regelmäßig die Vitamin-B12-Spiegel zu überprüfen und bei einem Mangel das Vitamin zu supplementieren7,8.

Die aktuellen Erkenntnisse zeigten, dass die erfolgreiche Therapie der Neuropathie einen umfassenden Blick auf die komplexe Erkrankung und das individuelle Risikoprofil der Patienten erfordert, so das Fazit des interdisziplinären Experten-Teams. Eine frühzeitige multimodale Therapie der Neuropathie eröffnet Chancen, die Lebensqualität der Patienten dauerhaft verbessern zu können.

Infos und Service-Material der Nationalen Aufklärungsinitiative

Im Fachbereich der Nationalen Aufklärungsinitiative zur diabetischen Neuropathie (NAI) finden Sie vielfältige Informationen, Videos und Service-Material, die die Diagnose und Therapie in der Praxis erleichtern.

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