Therapie

Therapie der diabetischen Neuropathie

Ziel der Therapie der diabetischen Neuropathie ist es, die Progression der Nervenschädigung aufzuhalten, Symptome der Patienten zu lindern und Folgekomplikationen wie das Diabetische Fußsyndrom zu vermeiden. Vorrangig ist daher, nervenschädigende Faktoren weitestgehend auszuschalten, auf eine geeignete Schuhversorgung der Patienten zu achten und diese bezüglich der Fußpflege zu beraten. Die Therapiemaßnahmen sollten individuell auf jeden Patienten abgestimmt werden. Sie hängen unter anderem von Komorbiditäten, dem Alter und der Lebensqualität der Patienten ab.

Drei Säulen der Therapie der diabetischen Neuropathie


In der Therapie der diabetischen Neuropathie hat sich ein Drei-Säulen-Schema bewährt. Dieses beinhaltet12.

  • die kausale Therapie, die primäre Ursachen der Nervenschädigung reduziert,
  • die pathogenetische Therapie, die an den Pathomechanismen ansetzt und zusätzlich zur Symptomlinderung beiträgt und
  • die rein symptomatische Schmerztherapie.

Säule 1

Die Optimierung der Blutzuckereinstellung und Minimierung weiterer Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder Fettstoffwechselstörungen bilden die Basis der Therapie. Dies beinhaltet auch eine Beratung der Patienten hinsichtlich ihrer Lebensgewohnheiten (Bewegung, Ernährung, Rauchen, Alkohol). Zu beachten ist jedoch, dass bei Patienten mit Typ-2-Diabetes keine ausreichende Evidenz vorliegt, dass das Risiko einer DSPN durch eine intensivierte Diabetestherapie langfristig verbessert wird.12

Säule 2

Die Pathogenetische Therapie mit Substanzen wie Benfotiamin und Alpha-Liponsäure hat zum Ziel, in die Pathomechanismen der diabetischen Neuropathie einzugreifen und so neuropathische Defizite und Symptome langfristig zu reduzieren.12
Benfotiamin ist eine Vitamin B1-Vorstufe, die eine fünffach höhere Bioverfügbarkeit aufweist als herkömmliches Vitamin B1 1. Ein Mangel an dem Vitamin tritt bei Patienten mit Diabetes aufgrund einer erhöhten renalen Ausscheidung häufig auf2. Das Defizit fördert Nervenschäden und Störungen im Kohlenhydratstoffwechsel, wie auch eine erhöhte Bildung von Advanced Glycation Endproducts (AGEs)3. Durch Ausgleich des Mangels kann Benfotiamin diese pathogenen Prozesse reduzieren und neuropathische Symptome wie Kribbeln, Schmerzen und Taubheit in den Füßen lindern4,5,6.
Alpha-Liponsäure ist eine Substanz mit Co-Enzym-Funktionen im Kohlenhydratstoffwechsel und antioxidativen Eigenschaften. Sie greift ebenfalls in die Pathogenese der Nervenschädigung ein und wirkt so den Symptomen der diabetischen Neuropathie entgegen7,8. Benfotiamin und Alpha-Liponsäure ergänzen sich in ihren Wirkmechanismen9. Die Vorteile von Benfotiamin und Alpha-Liponsäure bestehen in den geringen Nebenwirkungen und daher gutem Sicherheitsprofil bei langfristiger Behandlung.12

Säule 3

Eine zusätzliche symptomatische Therapie ist bei schmerzhafter Neuropathie indiziert, wenn die Lebensqualität der Patienten durch die Schmerzen beeinträchtigt ist. Bevor diese eingeleitet wird, sollten Komorbiditäten und das Risiko möglicher Arzneimittelinteraktionen erfasst werden. Wirksam sind bei schmerzhafter diabetischer Neuropathie vor allem Antikonvulsiva, Antidepressiva (Trizyklika, Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer) und langwirkende Opioide. Alternativ ist auch eine lokale Behandlung mit Capsaicin möglich. Substanzen mit erhöhten renalen und kardiovaskulären Langzeitrisiken wie nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) oder Coxibe sind zur Therapie neuropathischer Schmerzen bei Diabetikern nicht geeignet10. Die Wirksamkeit der Pharmakotherapie sollte bei adäquater Dosis frühestens nach zwei Wochen beurteilt werden. Nur bei etwa der Hälfte der Patienten ist mit einer Monotherapie eine klinisch relevante Schmerzreduktion (≥50%) zu erwarten. Häufig ist daher die Kombination verschiedener Substanzklassen unumgänglich12. Sorgfältig zu beachten sind bei der systemischen Therapie der DSPN das hohe Risiko für dosisabhängige Nebenwirkungen, Arzneimittelinteraktionen und die Abhängigkeitsgefahr11,12.
Die medikamentöse Therapie kann durch nicht medikamentöse Maßnahmen wie Akupunktur, Elektrotherapie, Physio- und Psychotherapie unterstützt werden11.
Zur speziellen Therapie kann der Patient auch an einen weiteren Spezialisten überwiesen werden, zum Beispiel an einen Schmerztherapeuten.

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Differenzialpharmakotherapie

Die Die Herausforderung bei der Pharmakotherapie ist, eine möglichst guten Schmerzlinderung bei gleichzeitig minimalen Nebenwirkungen zu erzielen. Bei der Differenzialpharmakotherapie bei schmerzhafter Neuropathie gilt es, das Wirkungs- und Nebenwirkungsspektrums sowie der Komorbiditäten zu beachte. Diese sind in der folgenden Tabelle13 zusammengefasst.

  Duloxetin Pregabalin/
Gapapentin
Trizyklika (NSMRI) Opioide 8%iges Capsaicinpflaster α-Liponsäure Benfotiamin
Depression +a +a + ± ± ±
Generalisierte Angststörung + + + + ± ±
Schlafstörungen + + + + + ±
Autonome Neuropathie (↓) + b c ± +d
Adipositas ± ± ± ±
Koronare Herzkrankheit ± ± ± ± ±
Nüchternblutzuckerspiegel (↓) ± (↓) ± ± (±)d
Leberinsuffizienz ± Dosis anpassene Dosis anpassene ± ±
Schwere Niereninsuffizienz Dosis anpassene Dosis anpassene Dosis anpassene ± ±
Wechselwirkungen ± ± ± ±
Pathogenetisch begründete Therapie Nein Nein Nein Nein Nein Ja

+ günstige Effekte, ↓ ungünstige Effekte, ± keine relevanten Effekte
NSMRI nicht selektive Monoaminwiederaufnahmehemmer
a Zusätzlicher anxiolytischer Effekt bei generalisierter Angststörung (GAD)
b Cave bei Blasenentleerungsstörung oder KADN (kardiale autonome diabetische Neuropathie) wegen anticholinerger Nebenwirkungen
c Cave: Verlangsamung der Magen-Darm-Passage bei gastrointestinaler Neuropathie
d Gilt nur für α-Liponsäure
e Je nach Einzelsubstanz

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